Blog 6. Sozialphobie “Die bittere Wahrheit einer Sozialphobie”
Liebe Leser,
Ich möchte euch von meiner Reise mit der sozial Phobie erzählen. Ich erzähle euch Geschichten aus meiner Vergangenheit. Geschichten von Verbindungen. Verbindungen die alle dazu beigetragen haben, wie ich jetzt bin. Ich möchte euch Mut machen über eure Vergangenheit zu schreiben oder zu reden. Achtung der Inhalt kann für manche von euch etwas belastend sein.
(TW Erziehung, Trigger von Ängsten)
Das „Warum?“ der sozialen Phobie: Der Blick in die Vergangenheit
„Diese Ängste wachsen im Schatten der Vergangenheit, und du erkennst sie oft erst, wenn du zurückschaust.“
Es gibt Momente in meinem Leben, die sich wie Schatten anfühlen – dunkle, schwer fassbare Erinnerungen, die sich immer wieder in meine Gedanken schleichen. Die erste, tief verwurzelte Erfahrung, die mich heute noch begleitet, stammt aus der Zeit, als ich klein war. Die Erziehung, die mir zuteil wurde, war nicht nur von Liebe und Unterstützung geprägt, sondern besonders von Kritik und Erwartungen, die ich kaum erfüllen konnte. Fehler wurden bestraft. Jeder Fehler, den ich machte, schien ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass ich nicht gut genug war. Diese innere Stimme begleitete mich wie ein ständiger Begleiter. Sie sagte mir immer wieder, dass ich nicht genug leistete, dass ich zu viel war,
Doch die wahre Herausforderung begann erst, als ich in die Schule kam.
In der Schule traf mich Mobbing mit einer Härte, die ich damals nicht wirklich verstand. Es war nicht nur der hänselnde Blick, die blöden Bemerkungen oder die Ausgrenzung, es war das Gefühl, anders zu sein, nicht zu den anderen zu gehören. Die Kinder lachten, weil ich nicht die „richtige“ Kleidung trug oder weil ich schüchtern war. Ich fühlte mich wie ein Außenseiter, und jedes Mal, wenn ich versuchte, mich einzubringen, schien die Wand der Ablehnung nur noch höher zu werden.
Ich lernte, mich immer mehr zurückzuziehen, mich zu verstecken – vermeiden war die Antwort auf jede mögliche Angst. Ich begann, soziale Interaktionen zu vermeiden.
Doch je mehr ich mich zurückzog, desto größer wurde der Abgrund zwischen mir und der Welt um mich herum. Die schlimmen Erfahrungen in der Schule beeinflussten nicht nur mein Selbstbild, sondern auch mein Vertrauen in andere Menschen. Ich begann zu glauben, dass ich einfach nicht genug war, dass ich in sozialen Situationen immer der „Fehler“ war.
Ich bin nicht die Person, die ich damals glaubte zu sein – eine, die nicht gut genug war. Ich bin eine, die gelernt hat, dass Fehler und Schwächen Teil des Menschseins sind. Und auch wenn die Narben aus meiner Vergangenheit nie ganz verschwinden werden, so haben sie mich doch stärker gemacht.
Die Fehlende Anerkennung in meiner Kindheit verstärkte diesen Eindruck. Ich hatte das Gefühl, dass meine Leistungen nie wertgeschätzt wurden – nicht in der Schule, nicht zu Hause. Was ich tat, schien immer zu wenig zu sein. Ich wollte gesehen werden, doch stattdessen fühlte ich mich unsichtbar. Ich lernte, dass ich nicht genug war, dass es immer noch etwas gab, das ich verbessern musste.
Das Schlimmste daran war, dass ich nie wusste, wie ich mich wehren sollte. Ich war immer so ruhig, so zurückhaltend, dass ich in vielen Momenten gar nicht wusste, wie ich mich ausdrücken sollte. Weinen konnte ich nicht, aus Angst, als schwach oder „überempfindlich“ wahrgenommen zu werden. Also hielt ich all meine Gefühle in mir zurück und ließ sie zu einer inneren Last werden.
Ich erinnere mich an Nächte, in denen ich mich in mein Zimmer zurückzog und weinte, weil ich nicht verstand, warum ich anders war. Warum konnte ich mich nicht so gut ausdrücken wie andere? Warum fühlte ich mich so von der Welt abgeschnitten? Das Gefühl, nie genug zu sein, nie zu genügen, prägte mich. Diese Gefühle wurden immer stärker, bis sie zu den Angstzuständen führten, die mich auch heute noch begleiten.
In der Schule und zu Hause gab es kaum einen Ort, an dem ich mich sicher fühlte. Und diese ständige Angst, in den Augen der anderen schlecht oder seltsam dazustehen, verfestigte sich zu einer festen Überzeugung in meinem Kopf. Ich dachte ständig, dass ich immer irgendetwas falsch machte – dass ich anders war, und dass mich deswegen niemand wirklich mochte. So wurde die soziale Phobie zu einem ständigen Begleiter. Diese ständige Sorge, abgelehnt oder schlecht beurteilt zu werden, wurde mein innerer Dialog.
Aber es waren nicht nur die schmerzhaften sozialen Erlebnisse, die diese Ängste verstärkten. Es waren auch die Erwartungen, die von außen an mich gestellt wurden, die mit der Zeit immer größer wurden. Diese hohen Ansprüche, die Vorstellung, dass ich immer perfekt und fehlerfrei sein müsste, um anerkannt zu werden, wurden zu einer Last, die mich erdrückte. Ich musste immer etwas „Richtiges“ sagen, immer „das Richtige“ tun, um in den Augen der anderen gut zu erscheinen. Und der Druck wuchs, je älter ich wurde, je mehr die Anforderungen an mich stiegen.
Ich habe mich immer als eine Grenzgängerin gefühlt, jemand, der ständig an den Rändern des gesellschaftlichen Lebens balanciert – immer hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Verbindung und der Angst vor Ablehnung. Als Grenzgängerin stehe ich oft an der Grenze zu den anderen, beobachte aus der Ferne, wie sie sich unterhalten, lachen, sich austauschen – und stelle mir vor, wie es wäre, einfach mittendrin zu sein, ohne Angst, ohne Zweifel.
Als Grenzgängerin habe ich gelernt, dass es nicht darum geht, den „perfekten“ Platz in der Gesellschaft zu finden, sondern darum, meinen eigenen Platz zu schaffen, der sicher und authentisch ist. Ich habe mich mehr und mehr von der Vorstellung befreit, dass ich mich ständig anpassen und beweisen muss.
Es gibt Tage, an denen die Angst immer noch stark ist und mich zu überwältigen droht. Aber ich habe auch erkannt, dass es in Ordnung ist, diese Angst zu haben und sie als Teil von mir zu akzeptieren. Ich bin kein Versager, nur weil ich mich in sozialen Situationen unsicher fühle. Ich bin ein Mensch, der lernt, Schritt für Schritt die Grenze zwischen meiner inneren Welt und der äußeren zu überwinden.
Am Ende dieses Kapitels in meinem Leben weiß ich, dass die soziale Phobie nur ein Teil meiner Reise ist. Sie ist ein Hindernis, aber kein unüberwindbares. Und während ich immer wieder die Grenze überschreite, von der sicheren Zone in den unsicheren Raum des Lebens, komme ich immer näher an das, was ich wirklich bin: nicht das Ergebnis meiner Ängste und Mängel, sondern ein Mensch, der trotzdem, zu leben und zu lieben.
Ich hoffe ihr konntet euch ein bisschen mit der Grenzengängerin auseinandersetzen und auch mit eurer Vergangenheit. Welche Wurzeln stecken hinter eurer sozialen Phobie? Lasst es mich wissen!
Eure Grenzgängerin