Blog 2. Posttraumatische Belastungsstörung
Liebe Leser,
Ich thematisiere heute die Auswirkungen auf soziale Kontakte. Von Freundschaften bis hin zur großen Liebe. Ich denke, dass viele Auswirkungen schon nachvollziehbar sind aber einige sind individuell und auch unsichtbarer. Ich gehe dabei auch auf den Weltenwandler ein.
Eine kurze Trigger-Warnung:
In diesem Blog teilen wir persönliche Erfahrungen, Gedanken und Informationen zu PTBS. Dabei sprechen wir auch über schwierige Themen wie Trauma, Flashbacks und Ängste. Wenn du dich von diesen Inhalten getriggert fühlen könntest, nimm dir bitte die Zeit, auf dich zu achten.
Auswirkungen auf meine zwischenmenschlichen Beziehungen und soziale Interaktionen
Es ist nicht so, dass ich meine Freunde nicht liebe oder die Nähe zu ihnen nicht schätze – im Gegenteil, ich sehne mich danach, mich verbunden und sicher zu fühlen. Doch mit PTBS scheint es, als ob eine unsichtbare Wand zwischen mir und den Menschen um mich herum steht. Diese Wand ist aus Angst, Misstrauen und den unaufhörlichen Erinnerungen der Vergangenheit gebaut. Oft bemerke ich selbst nicht, wie sehr ich mich von anderen entferne, bis es schon zu spät ist.
Berührungen, die früher ein Zeichen der Zuneigung und Nähe waren, können sich jetzt wie ein Angriff anfühlen. Wenn jemand meine Hand berührt oder mich umarmt, spüre ich eine plötzliche Angst, die sich in meinem Körper ausbreitet.
Ich distanziere mich immer öfter, ohne dass es bewusst passiert. Ich sage Treffen ab, vermeide Gespräche und fühle mich in größeren Gruppen einfach überfordert. Die Geräusche, die Stimmen, die Blicke – alles scheint zu viel. Es ist nicht, dass ich meine Freunde nicht sehen will, sondern dass ich in diesen Momenten einfach nicht fähig bin, in der sozialen Welt zu existieren.
Es gibt auch die Angst, Menschen zu begegnen, die „IHM“ ähnlich sehen. Ein Blick, eine Stimme, eine Geste – all das kann ausreichen, um Erinnerungen an die schlimmsten Momente in mir wieder zu aktivieren.
Und dann gibt es noch die Angst vor den unerwarteten Triggern – diese unsichtbaren, gefährlichen Dinge, die jederzeit auftauchen können. Ein Wort, ein Blick, eine Situation, die mir nicht sofort klar ist, können plötzlich eine Lawine von Erinnerungen auslösen.
Ich schaffe es manchmal, für meine Freunde da zu sein, aber ich kann nicht immer die Nähe und den Austausch bieten, den sie von mir erwarten oder den ich selbst geben möchte. Diese Distanz ist ein ständiges, unausgesprochenes Thema – und es tut mir weh, dass ich oft nicht die Person sein kann, die ich gerne wäre.
Wie PTBS meine Beziehung und körperliche Nähe beeinflusst:
(TW Berührungen)
PTBS hat die Art und Weise, wie ich Nähe erlebe, tiefgreifend verändert.
Berührungen, die früher ein Ausdruck von Zuneigung und Geborgenheit waren, sind heute oft ein auslösendes Element. Manchmal ist es nur die zarte Berührung seiner Hand auf meinem Arm, die mich plötzlich erstarren lässt. Ein kurzer Kontakt, der in meiner Brust ein schweres, panisches Gefühl auslöst, als würde ich mich in einem Moment der völligen Hilflosigkeit wiederfinden. Ich kann die Berührung nicht ertragen – es fühlt sich an, als würde der Körper in einen Zustand versetzt, den er nicht mehr kontrollieren kann. Die Panik schießt wie ein Blitz durch mich, und ich ziehe mich unweigerlich zurück. Ich weiß, dass es keine Gefahr gibt, dass er mir nichts tun wird, aber der Körper reagiert anders. Die Erinnerung ist stärker als der Verstand, stärker als der jetzige Moment.
Es gibt Tage, an denen mich selbst eine Umarmung völlig überwältigt. Der Gedanke, mich von ihm halten zu lassen, ist gleichzeitig tröstlich und beängstigend. In diesen Momenten ist es, als ob ich mich zwischen zwei Welten befinde – der Sehnsucht nach Nähe und der Angst vor dem Verlust von Kontrolle. Manchmal kann ich es nicht. Diese Berührung, die eigentlich ein Zeichen der Liebe ist, fühlt sich dann wie eine Bedrohung an, und ich kann nicht anders, als mich zu distanzieren.
Der Wechsel zwischen Nähe und Distanz ist für mich eine ständige Achterbahnfahrt der Gefühle. In einem Moment sehne ich mich danach, ihm nahe zu sein, ihm zu vertrauen, mich in seinen Armen sicher zu fühlen. Doch dann, im nächsten Moment, ist da diese unaufhörliche Angst, dass Nähe mich schwächen könnte. Diese Angst, wieder in die Ohnmacht der Vergangenheit zu fallen, macht es mir schwer, mich zu öffnen.
Die Herausforderung besteht darin, dass ich oft nicht genau weiß, wann ich Nähe zulassen kann und wann die Distanz für mich notwendig ist, um mich zu schützen. Ich will nicht, dass er sich abgewiesen fühlt, aber manchmal kann ich mich einfach nicht anders verhalten.
Ein Schritt auf ihn zu, dann wieder ein Schritt zurück, ein Wechselspiel aus Wünschen und Ängsten, das ich nicht kontrollieren kann.
Mein Partner und Ich
Es ist nicht leicht, mit jemandem zu leben, der PTBS hat. Das weiß ich – und ich sehe es an meinem Partner, jeden Tag. Meine Krankheit fordert nicht nur mich heraus, sondern auch ihn. Er ist nicht nur mein Partner, sondern auch jemand, der lernen musste, meine Krankheit zu verstehen, meine Grenzen zu akzeptieren und mit mir durch die Höhen und Tiefen zu gehen.
Manchmal scheint es, als würde meine PTBS uns beide beeinflussen. Es gibt Momente, in denen ich mich distanziere, mich verschließe oder von einem plötzlichen Trigger überwältigt werde. Manchmal darf er mich nicht berühren, obwohl ich doch eigentlich Nähe will. Es ist schwer für ihn, das nicht persönlich zu nehmen – aber er hat gelernt, dass meine Reaktionen nichts mit ihm zu tun haben, sondern mit den Wunden, die ich trage.
Eines der wichtigsten Dinge, die er gelernt hat, ist, wie er mit meinen Triggern umgeht. Das bedeutet, dass er sich bewusst zurückhält, wenn ich mich zurückziehe, und gleichzeitig bereit ist, da zu sein, wenn ich wieder auf ihn zukomme. Er stellt keine Fragen, wenn ich mich nicht erklären kann, und er urteilt nicht, wenn ich in schwierige Momente zurückfalle.
Natürlich ist es nicht immer einfach. Es gibt auch Zeiten, in denen wir aneinander geraten, weil ich nicht immer in der Lage bin, meine Bedürfnisse klar zu formulieren, und er nicht immer versteht, was in mir vorgeht. Aber selbst in diesen Momenten versucht er, auf mich einzugehen – und ich merke, wie sehr er mich unterstützen will, auch wenn es ihm manchmal schwerfällt.
Ich weiß, dass es für ihn nicht leicht ist, mit meiner PTBS zu leben. Es verlangt viel von ihm – Geduld, Verständnis und manchmal auch die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen. Aber sein Umgang mit meiner Krankheit zeigt mir, dass er mich liebt, auch mit meinen Schwächen und Verletzungen. Er sieht nicht nur die Krankheit, sondern auch die Person dahinter. Und dafür bin ich ihm unendlich dankbar.
Unser Weg ist nicht immer einfach, aber wir gehen ihn zusammen. Und das ist es, was zählt.
Der Weltenwandler
Ich sehe mich oft als Grenzgängerin, immer balancierend zwischen den Welten meiner Vergangenheit und meiner Gegenwart, gefangen in der Schwebe zwischen Heilung und den Wunden, die noch nicht ganz geschlossen sind. Mein Partner hingegen ist ein Weltenwandler. Wo ich auf den Grenzen verharre, kann er sich zwischen den Welten bewegen, an meiner Seite sein, ohne sich selbst zu verlieren. Und genau das ist es, was uns ausmacht: Wir sind ein Team, das sich gegenseitig ergänzt, auch im Umgang mit meiner PTBS.
Als Weltenwandler hat mein Partner die Fähigkeit, sich auf meine innere Welt einzulassen, ohne von ihr eingenommen zu werden. Er versteht, dass es Momente gibt, in denen ich von meinen Erinnerungen und Triggern überwältigt werde. In diesen Zeiten wechselt er fast mühelos zwischen der Rolle des Beobachters, des Zuhörers und des Ankers in meiner Realität. Er bleibt ruhig, auch wenn ich mich verliere, und bietet mir einen sicheren Raum, in den ich zurückkehren kann, wenn die Welt um mich herum zu bedrohlich wird.
Er versucht nicht, mich mit Gewalt in eine der Welten zu ziehen, sondern akzeptiert, dass ich oft auf der Grenze stehen bleiben muss.
Seine Stärke liegt darin, dass er mich dort nicht allein lässt.
Was uns als Team besonders macht, ist, dass wir lernen, miteinander zu kommunizieren, auch wenn meine Krankheit manchmal Barrieren aufstellt. Er hat verstanden, dass es Zeiten gibt, in denen ich keine Nähe zulassen kann – dass ich mich zurückziehe, weil ich mich schützen muss, nicht, weil ich ihn ablehne. Gleichzeitig hat er Wege gefunden, mir zu zeigen, dass er da ist, ohne mich zu bedrängen. Ein Blick, ein sanftes „Ich bin hier, wenn du mich brauchst“ – das reicht oft, um mir Sicherheit zu geben.
Er ist kein Retter und ich bin keine Last. Wir sind zwei Menschen, die gelernt haben, wie man gemeinsam in den Welten der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lebt, und wie man sich dabei gegenseitig stärkt.
Liebe Leser,
Ich habe euch ein bisschen die Welt vom Weltenwandler und der Grenzgängerin näher gebracht. Vielleicht habt ihr auch jemanden mit PTBS oder seid selbst betroffen. Dann kennt ihr vielleicht einige dieser Herausforderungen und könnt euch in diesem Blog wiederfinden. Ich hoffe zumindest, dass mein Blog jemanden helfen kann.. und wenn nicht, hilft der Blog zumindest mir:)