Blog 7. Aufmerksamkeits-Defizit-Störung “Selbsthilfe oder Selbstsabotage?”

ADS und Speed-Sucht: Der gefährliche Weg der Selbsttherapie

Es gibt einen beunruhigenden Zusammenhang zwischen ADS und der Anfälligkeit für Substanzmissbrauch, insbesondere für stimulierende Substanzen wie Speed (Amphetamine). Für viele Betroffene beginnt dieser Weg aus einer verzweifelten Suche nach Fokus, Klarheit und Kontrolle – Dinge, die für Menschen mit ADS oft schwer zu erreichen sind.

Der Drang nach Selbsttherapie

ADS ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn. Dieses Defizit führt zu Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität und einer ständigen inneren Unruhe. Für viele fühlt sich das an, als würde das Gehirn nie „stillstehen“, und jede Aufgabe, die Fokus erfordert, wird zur überwältigenden Herausforderung.

Medikamente wie Methylphenidat (Ritalin) oder Amphetaminsalze, die oft bei ADS verschrieben werden, helfen, den Dopaminspiegel im Gehirn zu regulieren. Doch was passiert, wenn jemand keine Diagnose oder keine medikamentöse Behandlung erhält? Viele Betroffene suchen nach einem anderen Weg, um ihren Zustand zu „behandeln“ – oft ohne es bewusst zu merken. Hier kommt Speed ins Spiel.

Speed, eine illegale Form von Amphetaminen, hat auf das Gehirn eine ähnliche Wirkung wie ADS-Medikamente. Es steigert den Dopaminspiegel, erhöht die Konzentrationsfähigkeit und sorgt für ein Gefühl von Energie und Klarheit. Für jemanden, der sich sonst im Chaos der eigenen Gedanken verliert, kann dies wie eine „Erlösung“ wirken.

Der gefährliche Teufelskreis

Für Betroffene mit ADS kann der erste Kontakt mit Speed wie ein Aha-Moment wirken. Plötzlich scheinen all die Aufgaben, die zuvor unmöglich schienen, machbar zu sein. Die Gedanken sind geordnet, das Chaos im Kopf beruhigt sich, und es fühlt sich an, als wäre man endlich „normal“. Doch diese scheinbare Erleichterung hat einen hohen Preis.

Speed sorgt zwar kurzfristig für eine Verbesserung der Symptome, aber auf lange Sicht verschlimmert es die Situation. Der Körper gewöhnt sich schnell an die Substanz, und um denselben Effekt zu erzielen, braucht man immer mehr davon. Zudem führt der Konsum zu Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Herzrasen und schwerwiegenden psychischen Folgen wie Angststörungen oder Depressionen.

Für jemanden mit ADS, der ohnehin schon mit emotionalen Schwankungen kämpft, verstärken sich diese Probleme durch den Substanzmissbrauch oft erheblich.

Warum Betroffene besonders gefährdet sind

Menschen mit ADS sind anfälliger für Süchte, weil sie oft unbewusst nach Möglichkeiten suchen, ihre Symptome zu kompensieren. Neben der Suche nach Klarheit spielt auch die Impulsivität eine Rolle, die bei ADS häufig ist. Spontane Entscheidungen – wie das Ausprobieren von Drogen – werden nicht immer mit den langfristigen Konsequenzen abgewogen.

Hinzu kommt, dass viele Betroffene mit ADS über Jahre mit Ablehnung, Überforderung und einem Gefühl der „Andersartigkeit“ leben. Drogen wie Speed scheinen nicht nur die Symptome zu lindern, sondern auch das Selbstwertgefühl zu stärken.

Der Weg aus der Sucht

Für Betroffene, die mit Speed oder anderen Substanzen experimentieren, ist der Ausstieg oft schwer, weil sie Angst haben, ohne die Droge wieder ins alte Chaos zurückzufallen. Hier ist es wichtig, professionelle Hilfe zu suchen. Eine ADS-Diagnose kann der erste Schritt sein, um die Erkrankung richtig zu behandeln und den Missbrauch zu beenden.

Medikamente wie Ritalin oder Amphetaminpräparate können helfen, die Symptome zu lindern, ohne den schädlichen Einfluss illegaler Drogen. Gleichzeitig sind Verhaltenstherapie und Selbsthilfestrategien entscheidend, um mit den Herausforderungen des Alltags umzugehen.

Selbstfürsorge statt Selbstzerstörung

Der Missbrauch von Speed ist ein gefährlicher Versuch, ADS-Symptome zu therapieren. Doch es gibt gesündere und nachhaltigere Wege, um mit der Erkrankung umzugehen. Der erste Schritt ist, sich selbst und die Diagnose zu akzeptieren. Zu erkennen, dass ADS keine Schwäche ist, sondern ein Teil der eigenen Persönlichkeit, hilft, die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen, ohne den Griff zu schädlichen Substanzen

Ein Gehirn, das nie stillsteht, das von Gedankensprüngen und Impulsen geprägt ist, das in einem ständigen Wechselspiel zwischen Chaos und Fokus lebt. An der Grenze von Überforderung und Überstimulation. Und genau hier entsteht die Versuchung, Substanzen wie Speed zu nutzen, um diese Grenzen scheinbar zu kontrollieren.

Als Grenzgängerin kenne ich das Gefühl, immer zwischen Welten zu leben – zwischen Chaos und Klarheit, zwischen Kontrolle und Kontrollverlust. Der Konsum von Speed wird zu einer Versuchung, weil er diese Grenzen scheinbar verwischt. Er erlaubt mir, tiefer in eine Welt der Kontrolle einzutauchen, ohne ständig mit der anderen Seite – dem Chaos – konfrontiert zu sein. Doch das ist eine Illusion. Speed macht die Grenzen nicht verschwinden, sondern verschiebt sie nur. 

Ich verliere die Fähigkeit, auf natürliche Weise zwischen den Welten zu navigieren, und die Grenze zwischen Hilfe und Abhängigkeit verschwimmt. Ich stehe dann nicht mehr nur an der Grenze zwischen den Welten, sondern fühle mich, als würde ich zwischen ihnen zerrissen werden.

Es hat mich auch gelehrt, dass wahre Kontrolle nicht von außen kommen kann. Ich muss meine eigenen Wege finden, mit meinen Extremen zu leben, ohne mich von Substanzen abhängig zu machen, die diese Grenzen nur künstlich verschieben.

„Die Grenzgängerin in mir erinnert mich daran, dass das Leben mit ADS kein Kampf gegen die Grenze ist, sondern eine Reise entlang dieser Grenze, bei der ich immer wieder lerne, mit meinem inneren Chaos zu kommunizieren.“

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